Die Front der CSD-Polit-Parade
Kommentar von Alfred Denzinger – Stuttgart. Die CSD-Polit-Parade hat mit 93 Gruppen und 6000 TeilnehmerInnen einen Rekord gebrochen: So viele sind in Stuttgart noch nie bei der Demonstration für Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und queere Menschen am Start gewesen. Nach Polizeiangaben haben am Samstag, 28. Juli, rund 170 000 Menschen den Umzug vom Erwin-Schoettle-Platz zum Karlsplatz verfolgt. Darüber kann man sich natürlich freuen – und sollte es auch.
Das Christopher Street Day-Festival stand dieses Jahr in Stuttgart unter dem Motto Expedition WIR. Die Community kämpft nach eigenen Angaben für eine Gesellschaft, „in der ein selbstverständliches, inklusives WIR gelebt wird“. Die drängenden Ziele seien „konsequent anzusteuern“.
Toller Erfolg des CSD-Vereins
Dieser TeilnehmerInnen-Rekord ist ein absoluter Erfolg, den der Stuttgarter CSD-Verein für sich verbuchen kann. Es ist auch sehr zu begrüßen, dass die AfD nirgendwo zu sehen war – außer auf klaren Botschaften gegen diese teilweise menschenverachtende und überwiegend homophobe Partei. Die AfD war offensichtlich als offizieller Teilnehmer unerwünscht. Gut so!
Weg mit den Diesel-Trucks von Daimler, Bosch, EnBW und Co.
Es passt aber nicht zu einer Demonstration für die Rechte von Minderheiten, dass das Gesamtbild der CSD-POLIT-Parade von großen Firmen vereinnahmt wird, denen es ganz sicher nicht um die politischen Forderungen der Community oder gar um die Erinnerung an den Ursprung des CSD (Christopher Street Day) geht. Diesen Großfirmen geht es vordergründig um Werbung für ihr Unternehmen. Müssten sie sonst so dominant auftreten? Niemand braucht auf einer Demonstration die Diesel-Trucks dieser Unternehmen.
Wenn es ihnen um die Unterstützung der Bewegung ginge, dann könnten Daimler, Bosch, EnBW und Co. doch einfach einen größeren Geldbetrag an den CSD-Verein spenden. Der CSD sollte wieder das werden, was sein ursprünglicher Grundgedanke war: eine Kampfdemonstration für die Rechte der LSBTTIQ-Community.
Viele frühere TeilnehmerInnen der CSD-Polit-Parade bleiben zwischenzeitlich weg. Sie fühlen „sich zwischen CSD-Folklore, Parteien-Ranschmeiße und Firmen-Lkw aber nicht mehr wohl“, berichtet die Wochenzeitung Kontext.
Zu Fuß und ohne Lastwagen, aber mit Parolen
Klare Aussage: „Lesben gegen Alice Weidel“
Zur mitdemonstrierenden Linkspartei führte Kontext aus: „Unter Anführerschaft von Chef Bernd Riexinger, der aus einer Rikscha heraus mit Bonbons warf, war die Truppe streng ökologisch unterwegs. Zu Fuß und ohne Lastkraftwagen sowie mit Parolen, die unausgewogene Positionen vertraten, es aber nicht in die StZN (Anmerkung der BN-Redaktion: Stuttgarter Zeitung/Nachrichten) schafften, weshalb sie hier stehen: „Ficken statt stricken“ oder „Anal statt Kapital“ oder „Viva La Vulva“. Für klare Aussagen hat sich auch Kontext-Bürochefin Sibylle Wais stark gemacht. Mit ihrem Banner „Lesben gegen Alice Weidel“ gehörte sie zu den Fußtruppen, die viel Beifall gekriegt haben. Auch aus der Redaktion.“
Zurück zum Ursprung
Leider haben wohl auch viele TeilnehmerInnen vergessen, dass die CSD-Polit-Parade keine reine Party ist, sondern als Demonstration für Gleichberechtigung startete. Der CSD sollte nicht nur eine Mischung aus Karneval und Männern mit Federboa und Stöckelschuhen sein.
Die Christopher Street Day-Veranstaltungen erinnern an den 28. Juni 1969 in New York. An diesem Tag setzten sich erstmals Transvestiten, Transsexuelle, Schwule und Lesben gemeinsam gegen staatliche Willkür und gewaltsame Übergriffe der Polizei zur Wehr. Der CSD erinnert an diesen ersten Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street. Ausgangspunkt der Proteste war die Bar „Stonewall Inn“, in der der sogenannte Stonewall-Aufstand seinen Ursprung hatte.
Zu dieser Zeit gab es immer wieder gewalttätige Polizei-Razzien in Gaststätten mit trans- und homosexuellem Zielpublikum. Besonders betroffen von Misshandlungen und Willkür waren Afroamerikaner und solche mit lateinamerikanischer Herkunft. Als sich an diesem Abend insbesondere Dragqueens und transsexuelle Latinas und Schwarze gegen die wiederkehrenden Kontrollen wehrten, war dies der Ausschlag für tagelange Straßenschlachten mit der Polizei.
Um des ersten Jahrestages des Aufstands zu gedenken, wurde das Christopher Street Liberation Day Committee gegründet. Seither wird in New York am letzten Samstag im Juni, dem Christopher Street Liberation Day, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden, im Sommer eine Demonstration für die Rechte von Schwulen und Lesben abzuhalten
Das waren die Teilnehmer der CSD-Polit-Parade.
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