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Gegen den Hass auf die offene Gesellschaft

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Gegen den Hass auf die offene Gesellschaft

Von Sahra Barkini – Stuttgart. Rund 200 Menschen versammelten sich am Freitag, 2. August, auf dem Marienplatz in Stuttgart, um gegen homophobe Übergriffe während des CSD Wochenendes (wir berichteten) zu protestieren. Die KundgebungsteilnehmerInnen und VeranstalterInnen solidarisierten sich auch mit der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg (TGBW). Sie wurde nach ihrer Teilnahme am CSD mit Hass und Hetze türkischer Nationalisten konfrontiert.

Die kurzfristig angesetzte Veranstaltung wurde vom Projekt 100% Mensch organisiert. Bei der Kundgebung sprachen Janka Kluge (dgti -Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität), Laura Halding-Hoppenheit (Linke), Oliver Hildenbrand (Grüne), Olcay Miyanyedi (Türkische Gemeinde Baden-Württemberg) und Detlef Raasch von der IG CSD Stuttgart. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann sendete ein Grusswort.

Holger Edmaier

Durch die Kundgebung führte Holger Edmaier (Projekt 100% Mensch). Er eröffnete sie mit dem Kampagnensong von 2017 „Wir sind eins“. Darin heißt es: „Wir sind eins! Eine Menschheit ohne Nation, eine Wahrheit ohne Religion, unsere Liebe ist stärker als das, stärker als euer Hass“.

In seiner Rede sagte Edmaier: „Wir sind hier, weil wir es leid sind, wir sind es leid, dass Menschen für ihre Liebe verfolgt werden, wir sind es leid, dass Menschen für ihr Menschsein zusammengeschlagen werden. Wir sind es leid, dass Menschen für ihr Geschlecht beleidigt werden, und vor allem sind wir es leid zu hören, dass jemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung verprügelt wurde.“ Weiter sagte er: „Nicht unsere Liebe oder unser Geschlecht ist das Problem, sondern die gewalttätigen Arschlöcher, die ihren Hass ausleben wollen“.

„Es ist wichtig, Anzeige zu erstatten“

Detlef Raasch

Detlef Raasch von der IG (Interessengemeinschaft) CSD Stuttgart berichte über einen Angriff am CSD-Wochenende gegen ihn. Ein Mann habe ihn beleidigt, seinen Arm verdreht und ihm ins Gesicht geschlagen. Der konsultierte Arzt diagnostizierte eine Radiusprellung. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er aufgrund seines „Schwulseins“ angegriffen wurde, sagte Raasch.

Es gab noch zwei weitere bekannte Fälle homophober Gewalt. In allen drei Fällen wurde Anzeige erstattet. Raasch plädierte dafür, Anzeige zu erstatten. Man dürfe sich solche Übergriffe nicht gefallen lassen. Edmaier wies auf die Kampagne „Zeig sie an“ hin. Über 20 Prozent der LSBTTIQ-Menschen würden Opfer von Hasskriminalität. Über 9o Prozent erstatteten jedoch keine Anzeige (siehe

„Wir müssen auch gegen Rassismus kämpfen“

Janka Kluge von der dgti (Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität) zeigte sich erfreut, dass soviele Menschen Solidarität mit den Angegriffenen zeigten. Die Dunkelziffer von Übergriffe auf Transpersonen sei extrem hoch. Allein in diesem Jahr seien bereits zwölf Transfrauen in den USA ermordet worden. Alle waren POC (People of Colour). Das zeige den nach wie vor existierenden Rassismus.

Janka Kluge, DGTI e.V.

„Wenn wir für die Rechte von LSBTTIQ-Menschen kämpfen, dann müssen wir auch gegen den Rassismus kämpfen“, sagte Kluge. Sie kritisierte, dass bei Morddrohungen gegen Transpersonen kein Aufschrei durch die Community gehe. Dann berichtete sie von einer Frau mit transsexuellem Hintergrund aus Rastatt, die in ihrem Wohnhaus bedroht und erpresst wurde. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei und habe zu hören bekommen, dass sie sich aufgrund ihres Äußeren nicht zu wundern brauche, wenn sie angegriffen wird. Die Polizei habe sich geweigert, die Anzeige aufzunehmen. Dies zeige die Diskriminierung, der Transmenschen noch immer ausgesetzt seien. Kluge wies auf die am 7. September geplante Trans*Pride hin (

„Menschenrechte kennen keine Ideologien“

Olcay Miyanyedi, TGBW

Für die Türkische Gemeinde (TGBW) sprach Olcay Miyanyedi. Die TGBW nimmt bereits seit vier Jahren an der CSD-Parade teil. Sie stehe für Menschenrechte, Gleichberechtigung und Partizipation, für eine vielfältige Gesellschaft, sagte der Redner. Die TGBW wende sich gegen faschistische, rechtsgerichtete und menschenverachtende Ideologien, egal von welcher Seite sie kommen.

Dieses Jahr wurde die TGBW nach der CSD-Parade massiv angefeindet. Die Anfeindungen kamen von türkisch, rechtsgerichteten Einzelpersonen und Organisationen. In Mails und Kommentaren hieß es unter anderem, die türkische Gemeinde solle sich umbennenen, denn sie vertrete nicht die Türken. Dazu sagt die TGBW: „Menschenrechte kennen keine Ideologien, sind nicht türkisch oder deutsch. Menschenrechte sind nicht verhandelbar'“

„Angriffe auf die offene Gesellschaft“

Oliver Hildenbrand, Die Grünen

Der nächste Redner war Oliver Hildenbrand von den Grünen. „Ich bin davon überzeugt, dass es gerade in diesen Zeiten von großer Bedeutung ist, dass wir unsere freie, offene und vielfältige Gesellschaft verteidigen und zwar indem wir Freiheit, Offenheit und Vielfalt wirklich leben“, sagte er. Hildenbrand kritisierte den Ton der öffentlichen Debatten. Die Grenzen des Sagbaren würden durch kalkulierte Ausrutscher und durch inszenierte Tabubrüche verschoben.

Weiter erklärte er: „Wenn ein schwuler Mann angegriffen wird, dann ist das nicht nur ein Problem für die queere Community. Wenn ein Jude mit Kippa bespuckt wird, dann ist das nicht nur ein Problem für die jüdische Gemeinde. Wenn eine Flüchtlingsunterkunft mit Hakenkreuzen beschmiert wird, dann ist das nicht nur ein Problem für die Geflüchteten. Nein, das sind Angriffe auf unsere offene Gesellschaft, auf unsere Demokratie, das sind Angriffe die uns allen gelten, und deshalb sind wir alle gefordert,dagegen aufzustehen.“

„Auch nachts Hand in Hand durch die Stadt“

Stefan Kaufmann, CDU – Archivbild

Der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann sendete ein Grußwort, das Christoph Michl von der IG CSD Stuttgart vorlas. Darin hieß es: „Es soll jedenfalls niemand in dieser Stadt Angst haben müssen, Hand in Hand durch die Straßen zu gehen, egal ob bei Tag oder bei Nacht.“ Die Angriffe auf die türkische Gemeinde nannte Kaufmann beschämend und bekundete seine Solidarität. Weiter schrieb er: „Homo-, Trans- und Interfeindlichkeit hat in unserer Stadt keinen Platz. Es ist Zeit, Zeichen zu setzen gegen das Klima, das rechtsextreme Parteien wie die AfD gerade in diesen Tagen wieder verbreiten“.

„Wir sind viele, wir sind mehr“

Laura Halding-Hoppenheit, Die Linke

Dann sprach die Linken-Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit. „Wir sind alle gleich, die feigen Angriffe von Rassisten sind ein Zeichen von Schwäche. Wir sind bereit, uns mit euch zu messen und mit euch zu kämpfen. Wir sind stärker, wir sind viele, wir sind mehr“, sagte sie: „Wir lassen uns unsere Demokratie nicht von euch in Gefahr bringen, ihr Rassisten.“ In Stuttgart sei kein Platz für Rassismus, betonte auch sie. „Wenn eine Person angegriffen wird, dann werden wir alle angegriffen“: Mit diesen Worten beendete Edmaier die Kundgebung.

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